Zölle und Stromnetze: Wie die US-Handelspolitik die Energieinfrastruktur im KI-Zeitalter verändert

Die jüngste Einführung und Ausweitung von Zöllen auf importierten Stahl, Aluminium und wichtige elektrische Komponenten durch die Regierung Trump hat weitreichende Auswirkungen auf den US-Energiesektor. Doch dies sind nicht bloß handelspolitische Details — sie könnten Amerikas Fähigkeit beeinträchtigen, seine kritische Infrastruktur zu modernisieren, gerade jetzt, wo das Land sich auf ein beispielloses Nachfragewachstum vorbereitet, das durch den Aufstieg der Künstlichen Intelligenz angetrieben wird.

Während sich die USA als globales Zentrum für KI-Innovation positionieren — von Hyperscale-Rechenzentren bis zu KI-gestützter Fertigung — steigen die Strombedarfe dieser Vision rasant an. Leider geraten die für diesen Ausbau erforderlichen Materialien und Komponenten zunehmend in ein Spannungsfeld aus internationalen Lieferengpässen, Preisdruck und nationaler Industriepolitik.

Zölle treiben Kosten und Zeitpläne in die Höhe

Die Entscheidung der Trump-Regierung, Zölle auf importierten Stahl, Aluminium und elektrische Ausrüstung — darunter Transformatoren, Schaltanlagen und Komponenten für Umspannwerke — wiedereinzuführen, ist Teil einer breiteren Strategie zur Förderung inländischer Fertigung. Kurzfristig führen diese Maßnahmen jedoch zu höheren Projektkosten und verzögern die Beschaffung in der US-Energiebranche.

Thermische Kraftwerke, insbesondere gasbefeuerte Kombikraftwerke, sind stark abhängig von importiertem Baustahl, HRSGs, Gasturbinen und Balance-of-Plant-Systemen. Diese Komponenten werden nun teurer und schwerer verfügbar — mit direkten Folgen für die Projektwirtschaftlichkeit.

Engpässe bei Transformatoren und Netzkomponenten

Ein besonders kritischer Flaschenhals ist die Versorgung mit Hochspannungstransformatoren. Etwa 80 % der großen US-Transformatoren werden importiert, vorwiegend aus Südkorea, Mexiko und Kanada — Länder, die nun von Zöllen oder Gegenzöllen betroffen sind.

⚡ Wo die Lieferzeit früher 12–18 Monate betrug, liegt sie heute bei 24–36 Monaten — bedingt durch Zollaufschläge und volatile Rohstoffpreise.

Dies gefährdet nicht nur den Netzausbau, sondern auch Ersatzeinbauten bei Störungen, Redundanzprojekte und Klimafestigkeit der Netze.

Mittelspannungstechnik und Steuerungssysteme: Unsichtbar, aber zentral

Auch der Markt für Mittelspannungsschaltanlagen (MV) und Steuersysteme ist betroffen. Diese Komponenten sind essenziell für die sichere Stromverteilung in Rechenzentren, Industrieanlagen, Kraftwerken und Umspannwerken.

  • MV-Schaltanlagen enthalten häufig importierte Vakuumschalter, Relais oder Gehäuse — nun mit Aufpreis.

  • Steuerungen wie SCADA- oder SPS-Systeme benötigen Spezialkomponenten, die durch globale Lieferkettenengpässe beeinträchtigt sind.

Verzögerungen bei diesen Systemen führen zu längeren Inbetriebnahmen und gefährden die Netzqualität, besonders in KI-zentrierten Einrichtungen mit hohem Leistungsbedarf.

KI-Treiber: Der Strombedarf explodiert

Die Brisanz ergibt sich aus dem massiven Lastzuwachs durch KI:

  • Das Training großer KI-Modelle benötigt Gigawatt an Rechenleistung — meist in 24/7 betriebenen Clustern.

  • Rechenzentren haben hohe Leistungsdichte und müssen schnell ins Netz integriert werden — oder sie verlieren wirtschaftlichen Wert.

  • Am schnellsten wächst diese Infrastruktur in bereits überlasteten Regionen wie Texas, Nord-Virginia und Kalifornien.

Das führt zu einem Dilemma: Wachsende Nachfrage trifft auf verzögerte Infrastruktur, verursacht durch Zölle, Lieferprobleme und Fachkräftemangel.

Die Kostenfrage: Wer bezahlt den Rückstand?

Diese Mehrkosten treffen letztlich nicht nur Netzbetreiber — sondern werden an die Stromkundschaft weitergereicht:

1. Durchgereichte Investitionskosten
Steigende Preise für Transformatoren, Schaltanlagen und Kraftwerkskomponenten erhöhen die Netzkostenbasis — besonders in regulierten Märkten, in denen Netzbetreiber über Tarifverfahren ihre Ausgaben refinanzieren.

2. Knappheit und Preisspitzen am Strommarkt
In liberalisierten Märkten wie ERCOT (Texas) oder MISO verschärft langsamer Netzausbau das Risiko von:

  • Preisspitzen zu Spitzenlastzeiten

  • steigenden Kapazitätsmarkterlösen

  • Aufschlägen für Netzstabilität (z. B. Schwarzstart oder Blindleistung)

3. Ausgleichszahlungen und Leistungsgebühren
Große Verbraucher — etwa KI-Rechenzentren — müssen mit zeitvariablen Tarifen, Strafzahlungen oder Einspeisebeschränkungen rechnen, wenn der Netzausbau hinterherhinkt.

Kurz gesagt: Zollbedingte Infrastrukturverzögerung ist ein stiller Treiber der Strompreisinflation.

Reaktionen der Industrie

Einige Hersteller reagieren bereits. ABB investiert 120 Mio. USD in neue US-Produktionskapazitäten für Niederspannungstechnik. Siemens und GE Vernova planen ähnliche Schritte. Doch der Aufbau heimischer Kapazitäten braucht Jahre.

In der Zwischenzeit müssen Projektierer und Netzplaner:

  • Zeit- und Beschaffungsstrategien überdenken

  • Preispuffer einplanen

  • Für eine ausgewogene Industriepolitik mit resilienten Lieferketten eintreten

Fazit: Ein Balanceakt zwischen Ambition und Realität

Die USA wollen weltweit führend in KI sein — doch KI braucht Strom, und Strom braucht Infrastruktur.

Zölle können langfristig die heimische Produktion stärken. Doch kurzfristig gefährden sie den dringend benötigten Netzausbau, der Grundlage für eine erfolgreiche KI-Strategie ist. Ohne Transformatoren, Schaltanlagen und Turbinen läuft kein Modell der Welt.

⚠️ Je länger der Rückstand bei der Infrastruktur besteht, desto mehr zahlt am Ende nicht der Entwickler — sondern der Kunde.

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